Früher. (Immer häufiger muss ich meine Texte in der Vergangenheit anfangen lassen. Die Gegenwart ist wohl unformulierbar.) Als Junge, als ich schon lesen und schreiben konnte, hatte ich oft Langeweile. Unterforderung eines begabten Kindes würde man heute wohl sagen. Daher griff ich manchmal zu den großen, schweren Katalogen der Versandhäuser Quelle und Neckermann. Dort konnte man sich alles, wirklich alles, was man zum Leben brauchte – und zwar für die ganze Familie – bestellen und mit der Post liefern lassen. Jahrzehnte vor dem Internet. In unserem Haushalt gab es sie zweimal im Jahr neu, von der Post gebracht. (Als ich für diesen Beitrag recherchierte, stellte ich fest, dass über Neckermann und Quelle im Präteritum informiert wird. War mir nicht klar, dass sie in Insolvenz gingen.)
Anfangs interessierte ich mich für die vielen bunten Seiten der Spielzeugabteilung. Wenn Weihnachten vor der Tür stand, sollte man schon das Richtige auf seinen Wunschzettel schreiben können.
Ewig Kind blieb ich ja nicht. Die Dessous-Seiten wurden – etwas schwer atmend – begutachtet. Und dann, wo er eingeordnet war, weiß ich nicht mehr, entdeckte ich den Massagestab. Das Foto dazu zeigte eine weibliche bloße Schulter über die das längliche, stangenförmige Gerät gestrichen wurde. Klammer auf: Ohne Batterien. Klammer zu. Ein farbloser Stab zur Massage der Schultern. Hm. Machte nicht viel Sinn, oder? Vielleicht eine medizinische Maßnahme zur Behebung von Schulterschmerzen? Keine Ahnung. In diesem Sektor war die Auswahl gering. Jetzige Ausführungen der Massagestäbe, Vibratoren, Dildos etc. weisen erheblich eindeutiger auf ihre Verwendung hin. Ende der 70er Jahre wäre ich jedoch dumm gestorben, wäre ich gestorben. Heute kann eine Frau, die mit mir zusammen ist, getrost ihren Massagestab verschrotten, da bleibe ich standfest … ähm … standhaft.
Der Massagestab
Eingeordnet unter Bei Sem;kolon zu Hause
Oh weih oh weih… Aber immerhin gab es damals die „Massagestäbe“ schon im Katalog zu kaufen! Das ist ja schließlich auch schon was ;)
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Nicht nur wir wären dumm gestorben, hätte meine Mutter damals geahnt worum es sich wirklich handelt, hätte besagte Seite in unserem Katalog gefehlt!
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Das wiederum wäre Zensur gewesen … Oder Bewahrung vor pädagogischen Gefahren?
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Die witzigste Zensur gab er zur Fa Werbung, die erste in der (aus der Ferne) nackte Brüste zu sehen waren. Wenn die Werbung ansetzte, sprang Muttern vom Sofa auf, durchquerte das Wohnzimmer und schaltete das TV Programm um. Nach angemessener Zeit und uns die Sicht auf den Bildchirm mit ihrem Körper verwehrend (sollte noch „etwas“ zu sehen sein) schaltete sie wieder um und ging zurück zum Sessel.
Meist lief dann schon die nächste Werbung und fünffaches innerliches Kopfschütteln.
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Im Reagenzglas bist Du aber nicht gezeugt worden?
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Aber garantiert im Dunkeln, das „Elend“ über sich ergehen lassend.
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JO …. so ändern sich die Zeiten.
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In Deinem ALTER war ich auch noch mannhaft
dauerhaft standhaft …
Das waren noch ZEITEN !
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Es freut mich, Deine angenehmen Erinnerungen belebt zu haben.
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