Auf stillem Gleis

Ich befinde mich an einem Punkt im Leben, wo ich deutlich den Generationswechsel spüre. Und zwar zum zweiten Mal. Sagen wir im Alter von 25 Jahren sind wir fähig und willens das Elternhaus zu verlassen und selbst eine Familie zu gründen. Nach weiteren 25 Jahren könnten wir schon Großeltern sein und so weiter.

Ich altere, aber es ist klar, hört es niemals auf, dass sich die Zeiten ändern. Ich bin jedoch aus dem Zug gestiegen, er fährt ohne mich weiter. Es war eine wunderbare, abenteuerliche Reise, hab viel Spaß gehabt, viel erlebt. Jetzt sollen die Anderen. Ein Platz wird frei.

Daher kann ich wohl manch heutige Lebensformen, Lebearten, „Lifestyles“ und Ansichten oder „Hypes“ nicht mehr normal nennen.

Viele Begriffe, die ich kenne und meiner Generation zugeschrieben wurden, werden heute nicht mehr verwendet. Aus „geil“ wurde „mega“. Aus „hey Typ“ „ey Alter“ um nur einige Beispiele anzubringen.

Es gibt Amazon Prime, Netflix und andere Xe. „Oder alles kostenlos auf Joyn“. Die Öffentlich-Rechtlichen verweisen auf ihre Mediatheken.

Ich habe vergessen, wann ich das letzte Mal ARD und ZDF eingeschaltet habe. Aber warum soll ich für Fernsehen aus dem Internet monatlich Geld bezahlen?

Die Preise explodieren überall weiter. In Sachen Energie ist das besonders arg weil Winter. (Der Satz soll so.)

Kennen Sie schon die Balkonkraftwerke? Man installiere an seiner der Südseite eine Mini-Photovoltaikanlange – zu meiner Zeit gab es nur „Sonnenkollektoren“ – und man kann eigenen Strom ins Netz einspeisen.

Als ich zum ersten Mal davon hörte, kam es mir vor wie bei einer Sendung für Kinder, die wir jeden Samstagvormittag sehen konnten. Da war ein Bastelonkel im Keller, der nie selber sprach. „Heute bauen wir ein Vogelhäuschen“. Morgen eine Dampfmaschine. Und übermorgen ein kleines Atom-U-boot …

Ich las bei Facebook einen wutschnaubenden Beitrag. Das mit den Balkonkraftwerken würde alles nichts bringen und wäre nur Geschäftemacherei. Man könne diese Anlagen nun schon in den Baumärkten kriegen. Alle verscherbeln die die, aber keiner hätte technisch Ahnung davon. Jedes vierte Wort war falsch geschrieben.

1. Wie soll man in unserem (kapitalistischen) System den Bürger zu einer Energiewende führen, wenn nicht über die Geldbeutel? Jedes verkaufte „Sonnenkraftwerk“ entlastet die Umwelt und hält Schulden von Privathaushalten fern. Ich muss ja nicht daran erinnern, dass die Ressourcen unserer Erde, Kohle, Gas, Trinkwasser endlich sind – nur die menschliche Dummheit ist es nicht … (ein Zitat)

2. Ich sehe eher den Untergang des Abendlands kommen, wenn die Kultur der Rechtschreibung verschwindet. Wurde die Rechtschreibkorrektur des Handys mächtig ausgetrickst? Oder war man zu blöd, dem Deutschunterricht zu folgen …

Noch ein Aspekt der „mobilen Gesellschaft“, in der ich leben muss: Die Versicherungswut. Mit meinem Kabelanschluss kommt dann Werbung ins Haus. Tja, hätte ich nicht, würde ich Programme streamen – aber das ist kein Argument. Pah!

Was heute zählt, sind Versicherungen. Was beworben wird, sind Zahnzusatzversicherungen, Tierkrankenversicherungen, Corona-Verdienstausfall-Versicherungen und der Bedarf an Sterbeversicherungen scheint auch zu steigen.

Über die alt her gebrachten Produkte der Versicherungsgesellschaften, wie Haftplicht, Lebensversicherung und Hausratversicherung redet keiner mehr – sie sind quasi wie selbstverständlich abzuschließen.

Ich habe von Schlüsselversicherungen gehört. Reiserücktrittversicherung. Man kann alles versichern. Es würde mich nicht wundern, wenn es Versicherungen gäbe, die bei Toilettenpapier-Notständen greifen. Und alles sofort kündbar. Das war nicht immer so! Versicherungen klebten an einem fest. Hätte man doch das Kleingedruckte gelesen … Durch die Versicherungen ist das eine Redewendung geworden.
Jedenfalls werden die Wolkenkratzer von Allianz & Co. höher und höher.

Ich bestreite nicht, dass Absicherung, wenn es ernst wird, gut angedacht ist. Doch all die vielen Kosten monatlich oder in sonst welchen Intervallen! Das kommt auf die Forderungen der TV-Streaming Dienste hinzu, nebst den Deals für Smartphons der neuesten Generationen. Steuern, Kredite und Hypotheken geben uns einfach den Rest.

So werden wir bei selbstgemachten Kerzen aus Cerumen sitzen und unseren dünnen Haferbrei auslöffeln.

WP 2023-Jan-22

2 Kommentare

Eingeordnet unter Allgemein

2 Antworten zu “Auf stillem Gleis

  1. Es gibt auch Hörgeräte-Versicherungen. Wird meines Wissens nur von einer Versicherungsgesellschaft (residiert auch bestimmt in einem Wolkenkratzer) angeboten, weil eher unpopulär.

    Am vergangenen Freitag Abend sah ich mir eine seichte Komödie im Ersten an. Manchmal brauche ich so etwas, um mich zu entspannen. Aber das Enkelkind im Film ließ mich alt aussehen und sollten seine realen Gleichaltrigen genauso sprechen wie das Enkerl, na dann, gute Nacht. (Ist anderseits auch kein Wunder, wenn Bildchen und die gelben Gesichter in den mobilen Telefonen Worte ersetzen…)

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    • Sei herzlich bedankt für Deine Worte!
      Ja eine Hörgeräteversicherung bot man mir auch an …
      Ich schaue fern, um runter zu kommen, genau wie Du, denke ich. :-)
      Mit den gelben Gesichtern meinst Du die Smileys. Aber halt! Die heißen doch nun „Emoticons“. So schnell ändert sich der Sprachgebrauch.
      Peinlich ist es meiner Meinung nach, wenn ältere Leute den jüngeren nacheifern. Sie meinen, was gut ist für 18-jährige, ist auch gut für 66-jährige. Ein schwerer Irrtum …

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