Ich feg mal zusammen und schau im Kehricht, was da ist. Was mein Leben war.
Bisheriges ist eh vorbei. Zeit aufbewahren kann man nicht.
Ich kann vielleicht noch an einigen Schnüren oder Fäden ziehen, um Erinnerungen lebend werden zu lassen. Doch am Ende landet alles in die Tonne. Ein Leben entsorgt.
Des Menschen Lebensleistung ist vergänglich. Besondere Ideen, Patente, überleben den Einzelnen werden ins kollektive Bewusstsein aufgenommen und weiterentwickelt. So wächst menschliche Zivilisation immer weiter, muss aber zwangsläufig über Generationen von Leichen gehen.
Und so bin ich hier, noch lebendig, schaue in meine spärlichen Hinterlassenschaften und fange an, mich wie eine Leiche von morgen zu fühlen.
Weiß ich wer sich wie an mich erinnert? Was war mein Beitrag zur Menschheit vor dem Sprung zum Mars? Der erste Schritt eines Menschen auf der roten Plundertasche?
Vermutlich so gering, dass nicht messbar.
Schade. Und Trotz kommt mir hoch. Wenn ich messen kann, mit welchem Fleiß, Ausdauer und Konzentration ich gearbeitet habe, warum ist das Resultat gegenüber Milliarden anderer Menschen immer noch nur plus minus Null?
Was ich nie verstanden habe, war, dass du deine individuelle Arbeitsleistung steigern kannst, z. B. in einem Arbeitsverhältnis, doch bei der Entlohnung die Gleichheit angestrebt wird. Nur für einige gleicher … Steuerpolitik war für mich nie von irgendeiner Form von Logik gesegnet. Auch nicht die Gehälter von Aufsichtsräten.
Ich hinterlasse kein Haus mit Garten, die statistischen anderthalb Kinder und auch keine tickende Zeitbombe, eine Ehefrau, die darauf wartet, die Scheidung einzureichen, um mit dem Geld des Mannes auf Selbstfindung zu gehen. Mit dem Yogalehrer im Bett.
Das Einzige von materiellem Wert, das ich habe, ist das „Weiße Album“ als Schallplatte. (Mit einem Sprung in der Rille bei „Martha My Dear“.)
Gut. Was noch?
Was man als Jugendträumerei, die schnell vergeht, belächelte, war das Schreiben. Vielleicht war es das, was mich die Jahrzehnte über, als ich es ordentlich betrieb, jung hielt. Während andere unbeweglich wurden. In der Woche vom Arbeitsplatz zum Tresen schafften, am Wochenende auf die Couch.
Ein Mann ohne Bauch ist kein Mann. Ein Mann ohne coronale Aterienverkalkung auch nicht. Und schon gesagt, ewig schaut sich das keine Frau an.
Klar, einmal angedockt und das Leben in sicheren Bahnen, das hat was. Ich war lediglich das flatternde Fähnchen im Wind. Inzwischen an den Rändern ausgefranst.
Es dämmert mir, dass man eigentlich machen kann, was man will. Nur dass, das, was man macht, einen auch befriedigen sollte. Wer sauertöpfisch nur darauf achtet, dass es dem Nachbarn bessergehen könnte, wird die Fahnenstange gar nicht erst von oben sehen.
Laut knallt der Deckel der Mülltonne. Zeit für neue Sinneseindrücke, neue Entscheidungen und kleine, kreative Explosionen unter der Schädeldecke. Kawumm!
Liegen meine besten Zeiten hinter mir?
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