Donnerstag 24. Februar 2022 · 07:43
2022. Wer heute Schlager mag, kann nicht ganz bei Trost sein!
Ist jemand anderer Meinung, möge er nicht weiterlesen.
Meine Generation ist es nicht mehr, die zurück kehrt zu einer seichten, kitschigen Musikform vollgepfropft mit Klischees in Reimform. Wenn‘s wenigstens geschickt gereimt wäre … Die heutigen Schlagerfans sind deutlich jünger als ich.
Mein Opa mochte Katharina Valente, Mireille Mathieu und Volksmusik. Und ich den Synthie-Pop und die Neue Deutsche Welle der 80er Jahre. Wir sind alle Kinder unserer Zeit.
Doch dass die Zeiten wieder auf den Schlager geeicht werden, bedeutet nichts Gutes. Nichts Gutes.
Nur hirnverbrannte Wutbürger können bei Andrea Berg und Florian Silbereisen das Tanzbein schwingen. Warum?
Ich bestelle CDs bei einem seriösen Anbieter. Da ist mir ein Angebot aufgefallen: „Komm auf mein Traumschiff der Liebe“ von Captain Cook & Seine Singende Saxophone. Ich dachte das wäre Satire. So wie bei Guildo Horn, der zwar auch als Schlagersänger katalogisiert wird, aber ich denke nicht, dass er sich so ernst nimmt.
Captain Cook – eigentlich der Seefahrer, Entdecker und Kartograph des 18. Jahrhunderts – versteht sich mit seiner Band aber als ernsthafter Schlagermusiker. Und der Erfolg gibt ihm auch noch recht.
Wenn man wahllos in die Titel seiner Alben hineinschaut, findet man allseits bekannte Lieder: „Ein Bett im Kornfeld“, „Ein bisschen Spaß muss sein“ und das nicht tot zu kriegende „Atemlos durch die Nacht“ von Helene Fischer.
Als Musiker kann ich sagen, das Arrangement dieser Musik mit drei Saxophonen ist einfach erbärmlich. Im Stil einer Ein-Mann-Disco für Hochzeiten werden die Rhythmen präsentiert. Und die Akzentuierung der Bläser ist so schwammig, dass man die Originale nur schwer erkennt.
In den Werbetexten ist davon die Rede, wie der schmeichelnde Sound von Captain Cook – wie wäre es, ihn Käpt‘n Iglo zu nennen – wie von sonst keinem in die Welt getragen wurde. Aha. Und was war mit James Last? Oder das Duke Ellington Orchestra und Charlie Parker. Ach … sorry, die haben ja richtige Musik gespielt!
Wer sich mit solch einer Musik begnügt, der glaubt auch, dass die Impfungen gegen Corona eine Verschwörungstaktik der Regierungen sind, dass Greta Thunberg freitags besser zur Schule gehen sollte und notorisch beim Abbiegen keinen Blinker setzt.
Das Vergnügen suchen bei Reimen wie Emotion auf Tradition, macht mir Angst. Wenn es die Rolling Stones, David Bowie, Depeche Mode und BAP gegeben hat, kann es kein Zurück zum unschuldigen Schlager mehr geben. Eigentlich. Aber es gibt auch die „Ausschwitz-Lüge“, „Neofaschismus“ und Ausländerhass. Heute.
Ich finde, das Eine hat mit dem Anderen durchaus etwas zu tun.
Deutsche Musiker können charmant, engagiert, poetisch, feinsinnig und politisch sein. Aber dann heißen sie Reinhard Mey.