Schlagwort-Archive: Anruf

Perspektivwechsel

Da stand sie nun an der Bushaltestelle. Im graumatschigen Schnee. Hielt die Arme verschränkt vor ihrer Brust. Im Bus fand ich einen Sitzplatz und wollte ihr zum Abschied winken. Doch sie schenkte mir keinen Blick mehr, sie schaute die Straße hoch.
Drei Stunden Zugfahrt. Umsteigen in Hamburg. Die Bushaltestelle bei ihr war nur wenige Meter von ihrem Haus entfernt. Und dass sie mich begleitete, war schon ein großes Entgegenkommen. Es war so was von aus! Weihnachten, Silvester. Da waren wir bereits Fremde.
Was zu Hölle hatte sie sich von mir versprochen? Den Ersatzmann für sich und ihre Kinder zu finden? Ich? Absurd! Irgendwas war über anderthalb Jahre tragfähig. Und irgendwas beendete ihre Hoffnung. Vermutlich gab es zwei Konstanten in ihrem Leben. Einmal eine gute Mutter für ihre beiden Töchter zu sein. Und dann nicht versauern zu wollen. Meine Rolle sollte idealerweise beide Bereiche abdecken. Ihr weiteren Nachwuchs bescheren und Farbe in ihr Leben bringen. Als ich ihr einen Strich durch diese Rechnung machte, war ich gestorben.
Zwei Wochen nach der Rückkehr von meinem letzten Besuch erhielt ich einen Anruf. Sie machte Schluss.

Werbung

2 Kommentare

Eingeordnet unter Bei Sem;kolon zu Hause

Von der Annahme, Hilfe anzunehmen

Wenn ich hier (allein) nicht gesund werde, muss ich woanders hin.
Durch Fürsprache – da brauchte jemand nur einen Anruf machen – habe ich nächste Woche einen Probetag. In der Tagesklinik.
Untersuchungen, Anwendungen und Therapien finden übertags statt, seine Freizeit kann man in der gewohnten Umgebung verbringen. Alles erst mal sacken lassen.
Ohne intensivere Hilfe pack‘ ich’s nicht mehr (allein) …

Ein Mann kommt zum Arzt mit schweren Depressionen. Der Arzt sagt: „Ich weiß, was Sie aufheitern könnte. Es gibt gerade einen Zirkus in der Stadt und der Clown dort ist fabelhaft!“ Darauf sagt der Patient: „Herr Doktor, der Clown bin ich.“

2 Kommentare

Eingeordnet unter Gesundheit

Schneeweiß

Als ich heute Morgen meinen Vater anrief, sagte er: „Wir haben weißen Schnee.“ Ich überlegte mir, warum er das so formulierte. Schnee ist doch immer weiß, oder?
Nach dem Telefonat grübelte ich darüber. Weiß, weiß, weiß. Mir fiel ein, dass Schnee grau und schmutzig sein kann, wenn die Schneeräum- und Streufahrzeuge ihn an den Rand der Straßen geschoben haben oder die Autos ihn angetaut platt fahren.
Mein Vater gehört zu der Generation der Kriegskinder, die roten Schnee gesehen haben. Blutgetränkt rot … Das vergisst man in 70 Jahren nicht. Hunger, Kälte und Tod.

Hinterlasse einen Kommentar

Eingeordnet unter Bei Sem;kolon zu Hause