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Niemals fertig

Arbeit, Arbeit, nichts als Arbeit.
Der Druck. Der Druck. Druck!

Ich kann es mir nicht mehr vorstellen,
an einem Sommertag
mit einem Freund
zu trinken und lachen.

Ich seh im Spiegel,
wie mein Haar grau wird.

Ich weiß nicht, wie mein Vater
so alt werden konnte.
In meinem Leben war
ich schon zwölf Mal tot.

Ich glaube noch an das Glück.
An das quietschend bunte Glück.
Für das Leben. Leichtigkeit. Liebe.
Ewig währt am längsten.

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Eingeordnet unter 2019, Lyrik

(ohne Titel)

Ich habe noch nicht mit jemanden persönlich gesprochen. Niemanden aus dem Kriegsgebiet. Kein Flüchtling. Keine Muslime. Niemanden, der hier so respektlos behandelt wurde. Beim Ausländeramt. Beim Jobcenter. Und gerade aus dem Bus geworfen wurde, wegen einem Kaffe-to-go Becher in der Hand. „Es ist verboten!“ schrie der Busfahrer, dass ich es an der Haltestelle hören konnte. Wo ich saß. Wohin sie zurück kehrte.
Sehr gut gekleidet war sie. Gut deutsch konnte sie. Die junge Frau entschuldigte sich. Fragte: „Wo kann man sich beschweren?“
„Bei den Stadtwerken. Ich hasse Busfahren so sehr, dass ich mir ein Fahrrad gekauft habe.“
Tonlos meinte sie: „Ich bin in Deutschland.“
Ich versuchte zu sagen: „Sie dürfen hier sein. Sie dürfen sich hier einrichten …“
„Und Arbeit“, kam es ganz leise.
„ … und arbeiten! Es ist Ihr Recht! Aber die meisten“, ich machte eine weit ausholende Geste, „wissen das nicht.“
Ich sah Tränen in großen braunen Augen.
Genau die Tränen, die vergossen wurden, als das Gebell der Geschütze näher kam, als die ersten Verwandten getroffen wurden, als sie rannte, rannte um ihr Leben.
… jetzt ist sie in Deutschland.

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Eingeordnet unter 2018

In der WfbM

Er ist hier nur auf Durchgangsstation. Noch drei, vielleicht vier oder fünf Monate, dann macht er …
Die Aufgabe, die sie ihnen vor zwei Wochen gegeben haben, ist an Stupidität kaum zu überbieten. Tischdeckchen aus Polyester falten und in Plastiktüten zum Verkauf verpacken. Für eine Drogeriekette. Die mit glitzernden Sternen bedruckten Stoffe wurden in China genäht. Die verdienen dort noch weniger als sie …
Martin schafft viele in einer Stunde. Von der einen Palette die Decken nehmen. Prüfen. Wenn eine fehlerhaft ist, ist es nämlich Ausschuss. Und falten. Dann hinein in die bedruckten Hüllen. Auf die andere Palette. Nächstes.
Martin hat das Down-Syndrom. Unterhalten kann man sich mit ihm fast ganz normal. Außerdem hat er vor zwei Jahren Gold beim Tennis auf der Olympiade für behinderte Menschen geholt. Das war in Los Angeles …
Sie werden noch wochenlang mit dieser Adventsdeko zu tun haben. Es ist Ende August.
Er kann sich nicht immer konzentrieren. Oft schaut er von der Arbeit auf und denkt nach. Das Medikament, das er seit dem letzten Jahr bekommt, hilft ihm sehr. Er rastet nicht mehr bei der kleinsten Kleinigkeit aus und gleichzeitig stürzt er nicht mehr so heftig und lang andauernd mit der Stimmung ab. Aber Gelassenheit bedeutet auch, viel mehr hin zu nehmen, als man müsste.
Er weiß, zu Hause wird er wieder seinen großen Aktenordner rausholen und blättern. Ja, er hat den Realschulabschluss. Ja, er hat Abitur. Ja, er hat ein ordentliches Studienbuch gehabt …
Bald wird er sich darum kümmern, anspruchsvollere Tätigkeiten zu bekommen und sich vielleicht versetzen lassen.
Er rechnet nach, drei Jahre ist er hier schon mit seinen Kollegen …

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Eingeordnet unter 2017, Gesundheit

Ausgebrannt

Ich sitz hier so. Ein syrischer Grill. Im Essraum kann ich durch ein großes Fenster auf die Straße sehen. Es ist Nacht. Man erkennt alle halbe Stunde den Nachtbus. Viel mehr ist auch nicht los.
Zwei Tischreihen hinter mir ein großer, schlanker Mann, der mit seinem Döner fertig ist. Er telefoniert ins Handy. Ich brauche mehrere Minuten, um klar abzugrenzen, dass er holländisch spricht und nicht westfälisch. Es sind die Rachenlaute. Die wären Westfalen zu obszön.
Mein Haar hat seit einer Woche kein Shampoo mehr gesehen. Der Bart hat längst die drei Tage Marke überschritten. Ich hasse das alles!
Ich habe keine Depression, doch auch keine Kraft mehr. Ich bräuchte Urlaub.
Der Holländer telefoniert, im Ofen ist meine Sonderbestellung, eine Pizza Calzone, die nicht auf der Karte steht und ich warte. Generell wartet man ja immer auf etwas. Auf Post, auf besseres Wetter und darauf, dass mein neues Buch aus der Druckerei kommt. Irgendwie auch auf ein besseres Leben. Wüsste ich, wie das geht, hätte ich längst eins …
Niemand kann sich vorstellen, wie viel Arbeit es macht, ein Buch zu veröffentlichen! (Außer andere Autoren.) Egal, wie groß es ist, egal wie viele Seiten es hat. Bei mir lagen hoch wichtige Entscheidungen noch bis zur letzten Minute vor dem Druck. Jeder Buchstabe, jedes Pixel des Buchumschlags sollten künstlerischer Ausdruck sein.
Ich bin also hier im Grill und komme mir vor wie Winston Smith. Wie im Café „Zum Kastanienbaum“. Immer wird das Glas mit Gin nachgefüllt. Am Ende liebte er den großen Bruder. 1984. Mit einem Freund habe ich damals den Kinofilm gesehen. Er ist dabei eingeschlafen …
Die Bedienung bringt die Pizza. Ich lächle und bedanke mich.
In diesem Moment habe ich das Fenster nicht im Blick.
In diesem Moment hätte meine Traumfrau vorbei gehen können.
Aber vielleicht hätte sie zufällig nicht hineingeschaut.

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Eingeordnet unter 2017, Buch 4, Das neue Buch

Sonntagsbild 400 (das sind mehr als 7 Jahre!)

Sonnenaufgang: 5:58 Uhr
Tageszeit: Morgen
Wetter: strahlend sonnig & 8 °C
Stimmung: unwohl
Chrizzy, der Ade zu dem wegen Unwirtschaftlichkeit geschlossenen Arbeitsbereich sagen muss…

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Eingeordnet unter 2017, Sonntag, Sonntagsbild

Ein Tag auf der Arbeit

Dieser Beitrag ist überflüssig. Er will von meinem ersten Arbeitstag nach Krankheitsausfall berichten, doch bitte nur lesen, falls Ihr gerade nichts anderes zu tun habt. Das Laber-Gen, welches ich habe, erfüllt auch puren Selbstzweck. Bisous Vorschlag, mich „berufstätiger Autor“ zu nennen, gefällt mir immer mehr.
Heute Morgen habe ich um 7:30 Uhr das Haus verlassen, was ich als sehr gutes Zeichen werte, denn so habe ich wenigstens nicht verschlafen … Ich muss drei unterschiedliche Buslinien erwischen. Ich arbeite in einem Stadtteil weit draußen. Wenn die Linie 9 zu spät an einer bestimmten Haltestelle ankommt, kann es vorkommen, dass ich die Linie 6 knapp verpasse. Das ist eingeplant – aber bei diesem Frost äußerst unangenehm! Heute Morgen hat alles geklappt, dennoch hätte man mich zum Zaunpfähle einschlagen benutzen können, so verfroren war ich …
Es muss schon etwas mit mir nicht stimmen, wenn ich nicht wie folgendermaßen den üblichen Auftritt hinlege. Ich setzte mein liebstes Guten-Morgen-hier-ist-der-Chef-Lächeln auf, grüßte unten jeden, der mir vor die Flinte kam, und rauschte die Treppe hinauf. Die meisten grüßten zurück. Die wenigen waren so in ihre Aufgaben vertieft, dass sie lediglich meinen Luftzug spürten. Als sie aufschauten, war ich schon oben, wo mein deutliches „Morgen, Jungs!“ die Abteilung erfreute.
Hier eine kleine Erklärung. Oben in der Abteilung werden Computer, Laptops und Handys repariert. Ein reiner Männerjob, das hat sich eben so ergeben. Und Chef von irgendetwas bin ich natürlich nicht. Ich tue so, weil es kaum ältere Personen in dem Laden gibt als ich, auch mein direkter Gruppenleiter ist viel jünger.
Ich durchschritt die Computerwerkstatt und kam ins Allerheiligste. Dem etwas kleineren Raum für Programmierungen. Heute Morgen war ich der erste. In aller Ruhe schälte ich mich aus meinen Winterklamotten und hing den Mantel weg. Mein Rechner. Mein heiliger Rechner schien so auszusehen, wie ich ihn verlassen hatte. Mein Rechner ist in Wirklichkeit der meines Teamkollegen, der viel mehr Arbeitserfahrung und Programmierkenntnisse hat als ich. Allerdings ist er ein Jahr jünger, was heißt, er darf mir ruhig alles beibringen, muss sich aber auch mein Laber-Gen gefallen lassen. Doch da kann er gut mithalten …
Mir fällt gerade auf, dass ich ziemlich auf mein Alter herumreite. Die Späßchen, die ich treibe, konnte ich jedoch schon in jüngeren Jahren …
Da war ich nun allein, hatte Ruhe, draußen versteckte sich die aufgehende Sonne hinter Nebel und Kälte und ich fuhr „meinen“ Rechner hoch. Das machte er brav bis er eine Password-Eingabe forderte. Na super! Kaum war man hier zwei Wochen weg, sicherten sie mir „meinen“ Rechner mit einem Password vor mir ab. Es war vorher jedenfalls nicht da. Ich wusste sofort, wer’s eingerichtet hatte, und versuchte es zu knacken.
In dem Moment kam mein Teamkollege und erlöste mich und nannte mir das Zauberwort. Da sagte ich mir, läuft doch alles rund heute. Für private Sachen war wenig Zeit, denn ich sollte SQL-Datenbanken installieren. Es blieb trotzdem genug Zeit, den anderen dabei zu zuhören, welche Keyboards und Synthesizer für welche Zwecke geeignet wären, und wie man nach den Ursprungsmodellen googelte und nach den besten der besten heutzutage mit astronomischen Preisen. „88 Tasten!“ habe ich mir gemerkt … Am Ende kam die Idee auf, eine Band zu gründen, die Pink Floyd Musik spielen sollte. Mein Teamkollege am Schlagzeug, ein anderer am Keyboard und ich an der Gitarre. Bevor wir die Welttournee planen konnten, war leider meine Arbeitszeit um und ich trat den Heimweg an.
Ich arbeite vier Stunden. Vielleicht würde manche einer sagen, dass es sich dafür nicht lohnt, aufzustehen. Aber besser so als garnix!
War es Erschöpfung, die Kälte oder eine total langsam arbeitende Behörde, von der immer noch keine Post kam, zu Hause fehlte jeder Funke Leben in mir. Dennoch musste dies raus. Vom berufstätigen Autor. Es gäbe so viel mehr zu sagen, doch der Beitrag ist hier zu Ende.

2518

Foto: Tim T.

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Eingeordnet unter 2017

Abschied von 2016

Permanent lebe ich einen Kompromiss. Beruflichen Tätigkeiten nachgehen und drum herum Autor sein. Das Talent des Schreibens ist erheblich ausgeprägter als die Motivation fremdbestimmte Arbeit zu leisten.
So auch in 2016. Aufgrund einer chronischen Erkrankung ist meine tägliche Arbeitszeit schon lange reduziert. Und ich hatte dieses Jahr einen Ausfall von vier Monaten. Manche Menschen sind davon überzeugt, dass mein Talent durch meine Krankheit bedingt ist. Meine Lektorin zum Beispiel.
Was ich dieses Jahr nicht wollte, war mein runder Geburtstag. Ich verstehe selbst nicht so ganz wieso.
Tja, und so sammelt man am Ende des Jahres alle Für und Wider ein, bilanziert und stellt fest, dass es sowieso unvermeidlich ist, zu 2017 zu wechseln, in die Hände zu spucken und sich selbst nicht zu verlieren. Und eben das wünsche ich Euch auch!

Ich in 2016

2511

Foto: C. H.

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Eingeordnet unter Bei Sem;kolon zu Hause

Brüder, das war heute mein Tag

Ich beginne meinen Bericht mit dem angenehmsten. Als ich von der Arbeit kam, eine Zeitung und drei einfache Brötchen mitbrachte, vertrieb ich meinen Hunger, der sich gut versteckt hatte. Meine Brüder, vermutlich hätte ich nicht mal gemerkt, wie sich mein Magen nach belegten Brötchen mit Wurst sehnte, bis es Abend geworden wäre. All meine Kollegen haben ja genug süßes Zeug auf den Tischen liegen. Es unterhält sich einfach gemütlicher, wenn man dabei nascht. Scheiß Arbeit, kurz vor Weihnachten kommt nichts neues mehr rein, man sitzt nur die lausig bezahlten Stunden ab. Ihr kennt es, Brüder.
Ein ordentliches Mahl war aber nur das Vorspiel. Ich ging ins abgedunkelte Schlafzimmer, streckte mich aus und startete mit der Fernbedienung Musik. Und dann, schwer zu beschreiben, sank ich wie in ein tiefes, tiefes Meer. Soweit es noch Licht gab, kamen mir Gestalten in merkwürdigen Situationen entgegen, ich selbst wurde vielfach gespiegelt und ich erkannte eigene Erinnerungen. Dann wurde es dunkel und wohltuend still.
Kurz bevor ich wieder die Wasseroberfläche erreichte, schoss mir der Gedanke durch den Kopf:
„Ich geh nicht arbeiten! Ich geh nicht arbeiten!“
Ich wachte auf und schnappte nach Luft. Etwas hatte mich erschreckt. Dennoch war ich ruhig. Ich weiß nicht, wie lange ich weg war, aber es hatte mir gut getan. Ihr wisst, wie das ist.
Ich lag noch eine Weile so im Bett. Wie es draußen aussah, war mir egal, denn entweder war es dicht bewölkt oder schon dunkel, was heute irgendwie dieselbe Scheiße war.
Liebe Brüder, mein Tag fing damit an, viel zu früh in eisiger Kälte auf Busse zu warten, die sich verspäteten, überall die Frauen mit den Augen zu scannen, ob sich eine meiner würdig erweist, vor meinem Computer am Arbeitsplatz hochbeschäftigt auszusehen und dabei möglichst gar nichts zu tun. Dann retour mit den Bussen. Das kennt ihr, Brüder.
Jetzt ist Abend. Draußen rollt noch viel Verkehr durch die Straße. Bis etwas großes böses den ganzen Tag gefressen hat, und ich zu Bett gehen muss, um morgen wieder im gleichen Rädchen zu laufen wie jeden Tag. Sagt mir Brüder, wie konntet ihr es so lange ertragen?

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Eingeordnet unter Bei Sem;kolon zu Hause