Ich höre einige CDs ab.
Abhören oder durchhören sind eine andere Art von Musik hören, als es die meisten Leute machen.
Für mich geht es hier um zwei chronologisch hintereinander folgende Studioalben eines bestimmten Musikers.
Ich möchte heraus hören, an welchen Stellen eine Weiterentwicklung oder Variation von Bewährtem stattgefunden hat. Ich erkenne auch Anleihen und Zitate anderer Musikstile oder gar von konkret anderen Musikern. Und warum.
Noch dieses Jahr wird eine neue CD des Musikers veröffentlicht.
Übrigens werde ich nicht verraten, um wen es hier geht …
Wenn man Fan einer Musikart oder einer bestimmten Band oder Musikkünstlers ist, freut man sich wie Hulle auf etwas Neues!
Ob aus den Medien und Internet oder durch Freunde, diese Nachricht läuft einem irgendwann über den Weg. Um muss zuerst mal sacken.
Die einen wollen dann so viele Informationen vorab wissen und sammeln, wie sie nur kriegen können. Anderen würde genau das die Vorfreude verderben. Der Zauber des Moments, sein Exemplar in den Händen zu halten und frei jeder anderen Meinung das Unbekannte zu erkunden.
Zu den Letzeren gehöre ich.
Es gibt viele Dinge, groß oder klein, an denen persönliche Gedanken, Handlungen und Emotionen verknüpft sind. Oder als Anker im Strom der Zeit herab gelassen sind.
Drei Beispiele.
Die Generation meiner Eltern konnten viel auf die Frage antworten: „Wo warst du, als Kennedy starb?“
Das Äquivalent in meiner Generation war: „Was hast du gemacht, als John Lennon ermordet wurde?“
Und die folgende Generation wird nie den 9/11 vergessen.
Bei mir funktioniert das im Kleinen auch mit Musikalben. Die zwei Longplayer meines anonymen Musikus sind von 2013 und 2018. Also folgt jetzt eins in 2020.
Natürlich reflektieren Musik und ihre Musiker auch ihre Zeit. Anders als ich. Musikschaffende wissen nichts von meinen Höhen und Tiefen, nichts von den Erinnerungen, die mir aus den beiden Jahren hier kommen, wenn ich keine intensive Musikbetrachtung betreibe, sondern sie so höre, wie es normalerweise jeder macht – als Unterhaltung.
Ich werde hier nicht alles ausbreiten, was mir hochkommt. Es geht um Meilensteine im linearen Zeitverlauf. Leuchtfeuer aus Musik, die mir helfen, in mein früheres Leben abtauchen zu können.
Das sei Zeitverschwendung, argumentieren einige. Das ist mir egal. Der Schlüssel für meine Zukunft liegt offen in meiner Vergangenheit.
2013. Der große Streit in einer langjährigen Männerfreundschaft. Und seitdem nichts mehr von ihm gehört. Nach kurzer Zeit ging es aufwärts. Nicht nur, dass ich mich besser fühlte, auch Ende diesen Jahres wurde in meinem Verlag mein erstes Buch vorbereitet.
Wer da einen kausalen Zusammenhang erkennt, möge ihn mir bitte erklären …!
2018. Meine Schwester und mein Schwager feierten den 1. Geburtstag ihres Kindes. Das ist nun nichts großes oder weltveränderndes. Außer für das Kind …
Ich habe keine Kinder, doch sie ist das schönste, klügste und wunderbarste Wesen auf diesem verrückten Planeten. Garantiert!
Wenn bald das neue Album meines Idols erscheint, werde ich mich später, nehme ich an, und das werde sehr viele, wenn sie an 2020 denken, an die Corona-Pandemie erinnern.
An alle Ängste und Sorgen. Nöte. Wie sich schlagartig das Leben änderte. Nun der Atemschutz, die Hygiene und der Abstand das Leben prägten. (Ohne die Vorstellung davon gehabt zu haben, Einzelne könnten gegen diese simplen Maßnahmen zum Wohle der Allgemeinheit Widerstand entwickeln.)
Keine Ahnung, ob es auf dem zu erwartenden Album meines modernen Barden einen Corona-Song gibt – ich kann eine Zeitmarke setzen, eine Verknüpfung erstellen und einen Wiederherstellungspunkt bestimmen. Musik scheint mir dafür am besten geeignet.
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Beats & break
Sonntagsbild 430
Sonnenaufgang: 8:24 Uhr
Tageszeit: Morgen
Wetter: schneeschwangere Wolken & 1 °C
Stimmung: nicht gut
Chrizzy, der der Prognose keinen Glauben schenken will, das Ende der CD sei nahe, er war dabei, als das Zeitalter der Compact Disc begann…
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Per Anhalter
Wie bin ich eigentlich an einem Sonntag zu ihr gekommen? Richtig, Tom fuhr mich, setzte mich ab, wendete und machte sich auf den Rückweg.
Ingrid. Ich habe sie immer als eine Affäre zwischen zwei ernsthaften Beziehungen gesehen. Vor mir hatte sie schon viele Männer. Danach sicher auch. Ingrid kreiste immer um einen festeren Kern von Leuten, mit denen ich Spaß hatte und Partys feierte.
Ich war also wieder zu Besuch zu Hause und vor meiner Abfahrt zurück in die neue Stadt lag der Abend mit ihr.
Nach dem Sex machte sie Bratkartoffeln. Etwas, wobei ich nicht helfen konnte oder wollte. Es ist übrigens nahezu unmöglich, dass Frauen Sex und Liebe trennen können. Mir ist noch keine mit dieser Fähigkeit begegnet. Und in gewisser Weise geht mir das auch so.
Bratkartoffeln können eine Ewigkeit dauern. Und so übten wir, in einer Beziehung zu sein. Das ging voll daneben. Ich fragte ungeduldig, wann das Essen fertig wäre. Sie musste wiederholt betonen, dass es dauern würde. Damit ich meinen knurrenden Magen nicht mehr hören musste, legte ich eine neue CD auf, die ich mitgebracht hatte. Ich war ja damals schon Autor und wusste, diese Musik würde mich zu etwas inspirieren. Das fertige Essen kam dazwischen. Ich fand, dass einige Kartoffelscheiben noch roh waren. Sie am Tellerrand zurück zu lassen, war ein Vorwurf Richtung Köchin.
Danach widmete ich mich wieder der CD. Es war spät, sie rief zu Bett.
„Ja, gleich.“ Ich hatte schon Papier und Stift in der Hand …
Ingrid hat mich nur ins Bett bekommen, weil ihre Stimme im Bereich hysterischer Dissonanzen lag.
Ich konnte nicht einschlafen. Mir war schlecht.
Auch sie fand keinen Schlaf, doch sie änderte das. Um 3 Uhr nachts sprang sie auf, rannte zur Wohnungstür und sagte zu mir: „Raus!“ Niemand hatte es je gewagt, so mit mir umzuspringen. Ich respektierte ihren Mut – und ging sofort.
Unten auf der Straße fiel mir ein, dass um diese Nachtzeit weder Busse noch Züge fuhren. Autos waren auch selten unterwegs. Wie sollte ich verdammt noch mal zurückkommen? Auf keinen Fall ging ich zurück bei Ingrid klingeln. Für mich war diese Affäre beendet!
Ich fing an zu laufen. Wirklich niemand unterwegs. Ich kam bis zur Landstraße und auf ihr soweit, bis es anfing zu regnen. Da war eine Bushaltestelle, der nächste Bus jedoch erst in vier Stunden. Ich wollte auf das Ende des Regens warten. Ich war übermüdet, mein Stolz verletzt. Ich legte mich mit meinen Klamotten in eine trockene Ecke auf den kalten Boden des Bushäuschens und versuchte zu schlafen.
Geweckt wurde ich vom ersten Berufsverkehr. Diejenigen, die super früh los müssen. Ich hielt den Daumen raus. Es hatte noch nicht aufgehört zu regnen. Bald hielt schon jemand an. Ich war so dankbar, brachte aber kaum einen Ton heraus. In dem Auto war es schön warm. Der Typ war jung, langes, lockiges Haar und lächelte.
Am nächsten Bahnhof ließ er mich raus. Geld für ein Ticket hatte ich. Wieder Pendler zwischen denen ich saß und fast niemand redete. Für sie wiederholte sich die Woche bis Freitag, dann war Wochenende. Und ich? Wem sollte ich erzählen, dass mich Ingrid aus der Wohnung geworfen hat, weil ich nicht schlafen wollte?
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Sonntagsbild 342
Sonnenaufgang: 6:44 Uhr
Tageszeit: Morgen
Wetter: fast vollständig bewölkt & 3 °C
Stimmung: spritzig
Chrizzy, der gerade J. Hendrix zuhört: „Music sweet music, I wish I could caress, caress, caress”…
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Die Anderen, nicht ich
Jurastudium. 1. Staatsexamen. Doktorand. Hochzeit mit der langjährigen Freundin, Referendariat und 2. Staatsexamen. Doktortitel und Anstellung als Rechtberater in einem großen Medienkonzern mit strammen unter 30 Jahren. Das geht! Das kann man schaffen. Ich kenne solche Fälle. Persönlich. Furchtbar nette Menschen. Ich hatte beruflich nebenher mit ihnen zu tun. Von einem habe ich noch drei klasse CDs von Joe Bonamassa gebrannt bekommen.
Für ihre Karrieren fehlten mir gefühlte zwei Millionen Voraussetzungen. Wenn man sich die Zahl, 1.000.000, mal vorstellt: eine eins mit sechs Nullen. Was das in Euro wäre, damit hat man als Normalo schon Schwierigkeiten. Oder man schaut in den klaren Nachthimmel. Würde man da nicht auch beim Zählen streiken und pauschal lieber von Millionen Sternen sprechen? Wie lange würde es dauern, wenn man 1 Mio. Legosteine abzählen müsste? Oder Dominosteine?
Und nun gibt es für mich zwei Millionen Gründe, nicht den Weg gegangen zu sein, den sie gehen konnten. Im Alter von höchstens 28 Jahren alles unter Dach und Fach, privat, beruflich und auch gesellschaftlich.
Selbstverständlich kann ich nur darüber spekulieren, wie ich mich fühlen würde, hätte ich es ebenso gemacht oder machen können. Denn aus meiner eigenen Geschichte, die anders verlaufen ist, und aus meiner Haut komme ich nicht raus. Daher gibt’s auch keinen Grund für Neid. Es gab ca. 2 Millionen gute Gründe, es nicht zu tun. Jetzt ist der Moment. Genau jetzt entscheide ich – und wer sollte es sonst tun? – ob mir mein Leben heute gefällt. Keine verpassten Gelegenheiten oder Versäumnisse, kein Rüberschielen auf andere Leute machen mich glücklicher. Vielfach ist Glück die perfekte Interpretation meines Daseins zum Positiven hin. Und da fallen mir noch ein paar Millionen Gründe mehr ein … ;-)
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Mein Album des Jahres 2015
Prince – Hit n Run Phase One
Dass ich die Musik von Prince mag, habe ich nie verschwiegen. Dass er auch ein paar scheiß Alben raus gebracht hat, auch nicht.
2014 kehrte der verlorene Sohn zurück an den Busen von Mutter Warner Bros. Records, die ihn nährte und groß zog. Die Plattenfirma überließ ihm vor Freude die Rechte an seinen Songs von ’78 bis ’96, die er wohl nie hatte einklagen können. Im Gegenzug veröffentlichte Prince zwei neue Alben, eins mit der Band 3rdEyeGirl. Das Material darauf ist dürftig und überzeugte mich nicht. Und dann gab es noch das Märchen, das Purple Rain Album würde als remasterte Luxusausgabe wiederveröffentlicht – nie hat Prince je etwas neu digitalisiert.
2015 nun ein neues Album. Hit n Run oder „HITnRUN“. Knackig, frisch, originell, unverwechselbar His Royal Badness! (adäquat eingedeutscht: das kleine Arschloch ;-)) Der 57-jährige steht mit beiden Beinen in unserer Zeit und zeigt, dass die Gleichung Prince und R & B immer noch aufgeht. Brüllende Bässe auf den Punkt (dieses Bass Solo im zweiten Song!), Lyrics mit Funky Attitude wie „We came to shut this down“ und James Brown Gekreisch. Zwei Titel sind Remixe aus seinem Album im Vorjahr, jedoch eindeutig die besseren Versionen. Die CD ist mit knapp 38 Minuten Dauer zu kurz. Gleich zu Beginn aber Klangzitate früherer Aufnahmen, denen man quasi anhört, dass sie von den Original-Analog-Tapes stammen. Ha! Und die hat er ja im Jahr zuvor bei Warner abgestaubt! Hit n Run Phase One ist nämlich wieder unter seinem eigenem Label NPG Records erschienen …
Wenn’s nicht so furchtbar egozentrisch wär‘, könnte man das bewundern. Ok, ein wenig tue ich es doch!
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Wer ist „Schlafes Bruder“?
Nicht nur eine fürchterliche grammatische Konstruktion, sondern auch ein Bestseller zu Beginn der 90er. Ich habe diese Schweinerei auf einer betrieblichen Weihnachtsfeier beim Wichteln bekommen. Wer nicht weiß, was Wichteln ist, das ist nichts weiter als gegenseitiges unglücklich machen mit Geschenken. Das Buch beantwortete mir nicht die Frage, wer der Bruder des Schlafes ist, denn es war mir unmöglich, es zu Ende zu lesen. Und im Klappentext rühmte sich der Verlag damit, dass das Manuskript eine Odyssee hinter sich hatte und woanders zig Mal abgelehnt wurde. Mich wunderte das nicht!
Aber eigentlich wollte ich etwas anderes erzählen. Wenn ich in frühen Morgenstunden schon umtriebig bin, dann zur Arbeit gewesen bin und hier zu Hause schalte und walte, rettet mich ein Nachmittagsschlaf davor, den Verstand zu verlieren. Schlafentzug ist bekanntlich eine gute Foltermethode. Sich selbst solches anzutun, kann Symptom von emotionalen Extremsituationen sein.
Wie auch immer. Am Nachmittag besteht mein Einschlafritual daraus, mir eine CD auszusuchen und sie in der 5.1 Anlage abzuspielen. Das hat den Vorteil, per Fernbedienung die Lautstärke regeln zu können. Je müder ich werde, so leiser wird die Musik. Irgendwann vermischt sich die Wahrnehmung der Musik mit dem einsetzenden Tiefschlaf. Und jetzt wird es interessant. Ich schlafe und höre gleichzeitig einen mir bekannten Song. Aber dabei verliere ich jedes Zeitgefühl. Musik ist zeitlich jedoch genau definiert. Nicht nur als Zeitangabe für jeden Song. Auch innerhalb des Liedes gibt es feste Zeiteinheiten bis hin zu jedem einzelnen Takt. Wenn ich aufwache, ist aber der Song meist noch nicht vorbei! Wo also war ich? Oder sollte ich fragen, wann war ich? Im Schlaf, so könnte man daraus folgern, ist die Mechanik der Zeit aufgehoben oder zumindest verschoben worden. Denn die Dauer, die ich für den Schlaf brauchte, deckt sich gefühlsmäßig nicht mit der linearen Zeitabfolge einer vom Laser abgetasteten Disc. Oder anders gesagt, ich kann subjektiv keine Aussage darüber machen, wie lange ich von körperlicher und geistiger Erschöpfung zur Erholung und Erfrischung brauchte. Mysterium!
Doch darüber zerbreche ich mir nun weiter nicht den Kopf. Schließlich gibt es für ein Phänomen wie das Déjà-vu die triviale Erklärung, es käme lediglich durch Übermüdung …
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