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Savannenläufer

Schlaf kurz und nicht allzu tief.
Autoscheinwerferlichter an den Zimmerwänden entlanglaufen. Mute flickering blue and red police lights from somewhere. Dein regelmäßiges Atmen neben mir. Das einzig Wichtige.
Der Gehörsinn bleibt immer wach. Eine Eigenart, die dem Leben in der Savanne geschuldet war.

Nachtjagende Tiere, groß genug, um uns zu reißen. Feuer schreckte sie ab, zugleich wussten sie, wo es frisches Fleisch gab.
Richtete sich die Sippe unter einem Felsüberhang ein, konnte die Gefahr nur aus einer Richtung kommen, wo wir einen Brand mittels Feuersteinen und Zunder entfachten. Trügerische Sicherheit.
Wir waren in der Lage, unser Fleisch im Lichte zu jagen. Aber die großen Flammen über uns erloschen. Ihre Funken besetzten den schwarzen Himmel, um die wandernde blasse Scheibe Vielgestalt zu beschützen. Wir wurden Gejagte.
In des Schlafes Schattenland durch das Gras laufen, konnte tödlich sein. Wenn das hungrige Tier mit den lanzenlangen Zähnen über die Glut sprang. Dann ein Zweites. Und noch ein Drittes.
14.000 Jahre entfernt. Ich werde niemals ihre Schreie vergessen.

Das Röcheln, letzte Zucken der Frau, bei der ich immer liegen durfte. Du. Wer zu den Waffen griff, wurde von maßlos tierischer Kraft unterworfen und zerbissen.
Wer fliehen konnte, floh. Aber wir kehrten zurück. Grausam der Anblick eurer Überreste, für die wir am Fels ein Grab einrichteten.
In diesen Tagen schlossen wir, ohne dass wir es recht wussten, einen Pakt. Wir würden unsere Geliebten rächen, bis das letzte dieser großen Raubkatzen gejagt und erlegt war und seine Zähne unsere Hälse und Felle schmückten.

Es dauerte einige Generationen und der Klimawandel kam zu Hilfe. Das große Tier mit den furchteinflößenden, langen Zähnen, welches man heute Smilodon, Säbelzahnkatze, nennt, haben die Savannenläufer ausgerottet. Wir waren keine Tiere. Wir waren schlimmer.
Der Mensch hatte eine neue Eigenschaft. Die Fähigkeit des Rachenehmens. Bald nahm Mensch an Mensch Blutrache.

Der Weckdienst.
„O no! Arr … I’m realy sorry!“
Ohne viel zu reden stehen wir auf, ziehen uns an und nehmen die Sachen. Ausgecheckt ist schnell. Nun das nächste Taxi Cab zum JFK. Da ist noch Zeit für einen Kaffee. Wach macht mich aber nur dein Lächeln.

©hristoph Aschenbrenner

Vorabveröffentlichung aus meinem Romanmanuskript.

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Beats & break

Ich höre einige CDs ab.
Abhören oder durchhören sind eine andere Art von Musik hören, als es die meisten Leute machen.
Für mich geht es hier um zwei chronologisch hintereinander folgende Studioalben eines bestimmten Musikers.
Ich möchte heraus hören, an welchen Stellen eine Weiterentwicklung oder Variation von Bewährtem stattgefunden hat. Ich erkenne auch Anleihen und Zitate anderer Musikstile oder gar von konkret anderen Musikern. Und warum.
Noch dieses Jahr wird eine neue CD des Musikers veröffentlicht.
Übrigens werde ich nicht verraten, um wen es hier geht …
Wenn man Fan einer Musikart oder einer bestimmten Band oder Musikkünstlers ist, freut man sich wie Hulle auf etwas Neues!
Ob aus den Medien und Internet oder durch Freunde, diese Nachricht läuft einem irgendwann über den Weg. Um muss zuerst mal sacken.
Die einen wollen dann so viele Informationen vorab wissen und sammeln, wie sie nur kriegen können. Anderen würde genau das die Vorfreude verderben. Der Zauber des Moments, sein Exemplar in den Händen zu halten und frei jeder anderen Meinung das Unbekannte zu erkunden.
Zu den Letzeren gehöre ich.
Es gibt viele Dinge, groß oder klein, an denen persönliche Gedanken, Handlungen und Emotionen verknüpft sind. Oder als Anker im Strom der Zeit herab gelassen sind.
Drei Beispiele.
Die Generation meiner Eltern konnten viel auf die Frage antworten: „Wo warst du, als Kennedy starb?“
Das Äquivalent in meiner Generation war: „Was hast du gemacht, als John Lennon ermordet wurde?“
Und die folgende Generation wird nie den 9/11 vergessen.
Bei mir funktioniert das im Kleinen auch mit Musikalben. Die zwei Longplayer meines anonymen Musikus sind von 2013 und 2018. Also folgt jetzt eins in 2020.
Natürlich reflektieren Musik und ihre Musiker auch ihre Zeit. Anders als ich. Musikschaffende wissen nichts von meinen Höhen und Tiefen, nichts von den Erinnerungen, die mir aus den beiden Jahren hier kommen, wenn ich keine intensive Musikbetrachtung betreibe, sondern sie so höre, wie es normalerweise jeder macht – als Unterhaltung.
Ich werde hier nicht alles ausbreiten, was mir hochkommt. Es geht um Meilensteine im linearen Zeitverlauf. Leuchtfeuer aus Musik, die mir helfen, in mein früheres Leben abtauchen zu können.
Das sei Zeitverschwendung, argumentieren einige. Das ist mir egal. Der Schlüssel für meine Zukunft liegt offen in meiner Vergangenheit.
2013. Der große Streit in einer langjährigen Männerfreundschaft. Und seitdem nichts mehr von ihm gehört. Nach kurzer Zeit ging es aufwärts. Nicht nur, dass ich mich besser fühlte, auch Ende diesen Jahres wurde in meinem Verlag mein erstes Buch vorbereitet.
Wer da einen kausalen Zusammenhang erkennt, möge ihn mir bitte erklären …!
2018. Meine Schwester und mein Schwager feierten den 1. Geburtstag ihres Kindes. Das ist nun nichts großes oder weltveränderndes. Außer für das Kind …
Ich habe keine Kinder, doch sie ist das schönste, klügste und wunderbarste Wesen auf diesem verrückten Planeten. Garantiert!
Wenn bald das neue Album meines Idols erscheint, werde ich mich später, nehme ich an, und das werde sehr viele, wenn sie an 2020 denken, an die Corona-Pandemie erinnern.
An alle Ängste und Sorgen. Nöte. Wie sich schlagartig das Leben änderte. Nun der Atemschutz, die Hygiene und der Abstand das Leben prägten. (Ohne die Vorstellung davon gehabt zu haben, Einzelne könnten gegen diese simplen Maßnahmen zum Wohle der Allgemeinheit Widerstand entwickeln.)
Keine Ahnung, ob es auf dem zu erwartenden Album meines modernen Barden einen Corona-Song gibt – ich kann eine Zeitmarke setzen, eine Verknüpfung erstellen und einen Wiederherstellungspunkt bestimmen. Musik scheint mir dafür am besten geeignet.

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Der Massagestab

Früher. (Immer häufiger muss ich meine Texte in der Vergangenheit anfangen lassen. Die Gegenwart ist wohl unformulierbar.) Als Junge, als ich schon lesen und schreiben konnte, hatte ich oft Langeweile. Unterforderung eines begabten Kindes würde man heute wohl sagen. Daher griff ich manchmal zu den großen, schweren Katalogen der Versandhäuser Quelle und Neckermann. Dort konnte man sich alles, wirklich alles, was man zum Leben brauchte – und zwar für die ganze Familie – bestellen und mit der Post liefern lassen. Jahrzehnte vor dem Internet. In unserem Haushalt gab es sie zweimal im Jahr neu, von der Post gebracht. (Als ich für diesen Beitrag recherchierte, stellte ich fest, dass über Neckermann und Quelle im Präteritum informiert wird. War mir nicht klar, dass sie in Insolvenz gingen.)
Anfangs interessierte ich mich für die vielen bunten Seiten der Spielzeugabteilung. Wenn Weihnachten vor der Tür stand, sollte man schon das Richtige auf seinen Wunschzettel schreiben können.
Ewig Kind blieb ich ja nicht. Die Dessous-Seiten wurden – etwas schwer atmend – begutachtet. Und dann, wo er eingeordnet war, weiß ich nicht mehr, entdeckte ich den Massagestab. Das Foto dazu zeigte eine weibliche bloße Schulter über die das längliche, stangenförmige Gerät gestrichen wurde. Klammer auf: Ohne Batterien. Klammer zu. Ein farbloser Stab zur Massage der Schultern. Hm. Machte nicht viel Sinn, oder? Vielleicht eine medizinische Maßnahme zur Behebung von Schulterschmerzen? Keine Ahnung. In diesem Sektor war die Auswahl gering. Jetzige Ausführungen der Massagestäbe, Vibratoren, Dildos etc. weisen erheblich eindeutiger auf ihre Verwendung hin. Ende der 70er Jahre wäre ich jedoch dumm gestorben, wäre ich gestorben. Heute kann eine Frau, die mit mir zusammen ist, getrost ihren Massagestab verschrotten, da bleibe ich standfest … ähm … standhaft.

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