Schlagwort-Archive: Stimmung

Neujahr

Die Kippen des neuen Jahres
mischen sich mit den Kippen
des alten Jahres.
Der Wind bringt Regen.
Ich werde
mich noch rasieren müssen.
Zeit ist weder schön noch hässlich.
Es ist allein der Gedanke, der bleibt.
Rollkofferrallye.
Bahnsteigkante.
Einstieg.
Abfahrt.
Aufgescheuchte Vögel begleiten den Zug.
Eine Weile.
Bis sie sich eines Besseren besinnen.

©hristoph Aschenbrenner

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Zwischen einem Mann und einer Frau

Fünf Wochen sind hier Weihnachtsmärkte geöffnet. An fünf Stellen in der Innenstadt. Der große Marktplatz darf nicht besetzt werden wegen des Wochenmarkts mittwochs und samstags. Da wirken die Weihnachtsmärkte eher wie eine Notdurft. Was der Kitsch, Konsum und Krempel mit dem Christenfest zu tun hat, entzieht sich meiner Kenntnis.
Es gibt Naschwaren, Dekokram, Fahrgeschäfte für Kinder, gebratenes und gebackenes Essen bis hin zu Geschenken, Schmuck und natürlich den Glühwein.
An jeder Ecke hörst du zwei Mädchen Blockflöten quälen. Man sollte ihnen Geld geben, damit sie es lassen!
Ich war etliche Jahre nicht mehr dort, nur aus dem Busfenster geschaut, wenn sich meine Linie durch die Menschenmengen quälte. Große Ansammlungen von Menschen. Wenn man in einer Traube von Leuten steckt, und es geht nicht vor und nicht zurück. Man wird geschoben und gedrängt. Das ist mir sehr unangenehm.
Bei Regen und 13 Grad haben die Weihnachtsmärkte nun wieder geöffnet. Dieses Jahr will anscheinend jeder mit mir dort hin. Die Kollegen an Feierabend, Bekanntschaften, ja auch Freunde von außerhalb. Am liebsten aber ginge ich mit ihr.
Die erste Woche hat sie sich nicht gemeldet. Aber dann die SMS. Welch ein origineller Einfall, am nächsten Samstag zusammen über die Weihnachtsmärkte zu gehen. Ab 11 Uhr sind die Stände und Buden geöffnet. Sie möchte jedoch nach Einbruch der Dunkelheit. Wegen der Stimmung. Argumente wie, um 11 ist es noch nicht überlaufen, man sieht doch viel mehr, kontert sie mit einem gewichtigen Argument. Um 11 Uhr denke sie noch nicht mal daran aufzustehen.
Ich bin gespannt, was sie anzieht, wenn wir uns treffen. Wichtiger ist aber, was ziehe ich an? Ich brauche eine Kopfbedeckung, nicht zu dick, nicht zu leicht, denn bei Neigung zu Niederschlägen, so der Wetterbericht, kann man im Gewühl keinen Regenschirm aufspannen. Schuhe? Zur Zeit stehen zur Wahl nur gefütterte Winterstiefel oder dünne Halbschuhe. Der Rest gibt sich.
Ich stehe am Treffpunkt, Bushaltestelle gegenüber Kaufhof. Mann, ist das voll! Dabei ist der Weihnachtsmarkt hinter mir. Kinderkarussell, etwa acht Buden. Sie kommt mit dem Rad. Wie immer winke ich, bleibe stehen. Wie üblich ignoriert sie mich. Schließt das Rad ab. Schlösser sind etwas technisches. Seelenverwandt sind Frauen mit Technik nicht. Auch sie nicht.
Forschen Schrittes will sie die Straße überqueren, doch ist gezwungen, Menschenströme zuerst vorbei zu lassen. Ich drehe mir eine Zigarette. Ich überlege mir, was sie vorher erlebt hat, wenn sie ankommt, als hätte sie Wut, schlechte Laune oder Magenschmerzen. Vielleicht alles zusammen? Oder hat es was mit mir zu tun?
Mit einer finsteren Miene, die gut zu ihrem schwarzen Mantel passt, lässt sie sich umarmen. Mögen die Spiele beginnen!
Nun bin ich also wieder hier. Wir verständigen uns, was wir uns hier auf dem ersten Christmas Market ansehen wollen, und welcher der nächste sein würde. Wie ich sie kenne, würde sie relativ achtlos an den „Fressbuden“ vorbei gehen, sich dafür an Spielzeugständen und Modeaccessoires länger aufhalten. Und am längsten dauert es bei angebotenem Nippes, wie wir zu Hause sagen, oder „Staubfänger“. Dinge zum Hinstellen in der Wohnung, ohne den geringsten Nutzen. Witzig, schön, süß sind dafür die Attribute ihrer Besitzer. Ich korrigiere: Besitzerinnen.
Doch auch für so einen Ernstfall hat mein Akku für Geduld volle Kapazität. Ich erinnere mich zudem, dass irgendwo hinten immer ein Bratwurstgrill war. Bestimmt auch dieses Jahr. Man könnte das eine mit dem anderen verbinden.
Ich erzähle ihr was. Genauer, ich doziere. Erlebnisse und Erfahrungen aus einem elend langen Leben. Das kann ich, ohne dass mir je die Themen ausgehen. Ich habe ja auch nie etwas vergessen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ihr das gefällt. Sich ihre Stimmung dabei beginnt aufzuhellen. Gerade bin ich bei Zeitzeugnissen aus 1983 angelangt, lässt sie mich ausreden und erzählt etwas über sich aus den 80ern.
Der Verkehr staut sich zwischen Glühweinstand und vermeintlichen Bratwürsten. Ich stelle mich mit meiner beachtlichen Breite schützend vor sie und nehme ihre Hand, um sie nicht zu verlieren. Sie lässt es geschehen. Und ich kann fast sehen, was sie hinter meinem Rücken macht. Sie lächelt.

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Im Keller

Licht. Spind Nr. 11. Stuhl. Tisch. Auf dem Estrich eine Pfütze.
Etwas ist undicht. Das sei normal nach all dem Regen, heißt es.
Licht. Spind 11. Stuhl. Tisch. Millionen Fragen.
„Welche Medikamente nehmen Sie jetzt?“
„Wie oft stellen Sie den Wechsel Ihrer Stimmung fest?“
„Wie schnell erfolgt das?“
„Wie schlafen Sie?“
Licht. Nr. 11. Stuhl. Tisch. Die Anderen.
„Hier kannste dir Kaffee nehmen bist der Arzt kommt.“
„Ich habe Depressionen, nur Depressionen.“
Licht. Spind 11. Stuhl. Tisch. Anruf nach Hause mit dem Handy.
„Heute gab es zum Mittag Hähnchengeschnetzeltes in Rahmsoße und dazu Gemüsereis. Lecker! Keine Sorge, ich verhungere hier nicht.“
Licht. 11. Stuhl. Tisch. Untersuchungen.
Puls. Blutdruck. Blut- und Urinproben. EKG.
Licht. Spind 11. Stuhl. Tisch. Therapien.
„Hier liegen einige Fotos mit geometrischen Formen.“
„Sie können malen oder zeichnen.“
„Nehmen Sie Farben, die Ihnen gerade zusagen.“
Licht. Spind. Stuhl. Tisch. Die Chance.
„Sie sind hier richtig und rechtzeitig zu uns gekommen.“
„Wie gut, dass Sie sich Hilfe geholt haben.“
Licht. Spind Nr. 11. Stuhl. Tisch. Hoffnung.
Alles wird wieder gut. Es kann nicht schlimmer werden.
Licht. Spind. Stuhl. Tisch. Tränen

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Deep, dark & blue

Beschissen, beschissen, beschissen. So kann’s einem manchmal geh’n. Am schlimmsten ist, ohne erkennbaren Grund.
Viele, die ich kenne, würden das niemals zugeben. Sie lachen immer, auch wenn der Himmel weint. Sind sie damit die besseren Menschen? Eine Trantüte, leidend und jammernd, kann einem die Suppe gehörig versalzen. Aber wer ist der Realist? Der, der sich und anderen die gute Stimmung vorheuchelt, oder der, der dem Tief ins Auge blickt?
Wie auch immer. Mich tröstet eine Tastsache. Es geht auch wieder vorüber.

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Mitten im Leben

Gerade noch in einem lebendigen Gespräch. Ein wilder Lacher toppt den nächsten.
Und dann fällt ein Wort, es gibt einen Nebensatz oder eine Zeile, die mit dem Ganzen eigentlich nichts zu tun hat. Das löste eine Lawine aus. Die Stimmung kippt krass ins Gegenteil.
Dafür kann freilich das Gegenüber nichts.
Aber ich werde wieder an die Tatsache erinnert, dass ich damit lebe, ein Großmaul und zugleich ein haarsträubend sensibler Mensch zu sein. Nie wird sich etwas daran ändern. Verzeiht mir. Bitte.

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Foto: B. Kluge

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Sonntagsbild 323

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Tageszeit: Morgen
Sonnenaufgang: 7:57 Uhr
Wetter: man weiß schon länger nicht mehr, was Sonne ist & 4 °C
Stimmung: gut ist was anderes
Chrizzy, der noch nicht friert…

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Sonntagsbild 322

Sonntagsbild 322-750px

Tageszeit: Morgen
Sonnenaufgang: 7:45 Uhr
Wetter: trocken & 3 °C
Stimmung: herbstlich
Chrizzy, der morgens um 4 lieber die Kopfhörer nimmt…

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