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Zwillinge?

Es geschah vor einigen Jahren. Ich betrat das Tonstudio für ein paar Aufnahmen für eine Radiosendung. Inzwischen mit der Technik vertraut und sie gerne bis zum Äußersten nutzend. Geradezu berühmt-berüchtigt waren meine Jingles. Für jede neue Staffel dachte ich mir was neues aus. Christine, die einzig gute Seele im ganzen Gebäudekomplex und Tontechnikerin, bekam manchmal die Krise, wenn ich Soundschnipsel von lustvoll stöhnenden Frauen, Gitarrenriffs von U2 und Geräusche von vorbeifahrenden Züge in ein Jingle packte.
Heute hatte ich aber nur Texte aufzusprechen und Musik dazwischen zu packen. Christine grinste mich voll an. Fand ich merkwürdig. Nachdem ich ihr meine Texte zum Mitlesen am Mischpult gegeben hatte, und noch etwas vom mitgebrachten Mineralwasser trinken wollte, musste sie mir etwas erzählen.
„Na, du? Da hattest du ja ganz schön einen getankt!“
Ich wusste nicht, dass sie auch rot werden konnte. Und ich wusste nicht, wovon sie sprach.
„Bevor du dich noch mehr daneben benehmen konntest, bin ich gegangen.“
„Wo war das denn?“
„Im Elephant’s Memory!“
„Der Tanzschuppen? Da war ich noch nie drin. Und außerdem trinke ich nichts.“
Alles was ich sagte, stimmte, trotzdem meinte mich Christine an einem bestimmten Abend gesehen zu haben. Volltrunken. Ich schlug vor, die Aufnahmen zu machen.
Ein paar Wochen später. Nach der Arbeit wartete ich auf den Bus. Ein paar Kinder auch. Sie schienen sich angeregt über etwas zu unterhalten. Bis schließlich ein Mädchen ausgelost wurde, sich in meine Richtung zu bewegen. Automatisch hielt ich meine Tasche fester. Aber die 8-jährige fragte nur: „Bist du Rainer, Rainer Petronitsch?“
Ich schüttelte den Kopf. Und dann machte es Klick! Im Bus wurde mir klar, dass ich hier in der Stadt jemanden herumlaufen hatte, der mein Doppelgänger ist! Der durchaus gesellig ist und auch auf jene trifft, die mit mir zu tun haben. Nur sein Verhalten liegt nicht innerhalb meiner Grundsätze. Noch ein, zwei Verwechslungen wurden mir bekannt.
Ich stand am Samstag am Domplatz. Weil Markt war, waren viele Menschen unterwegs. Ich wollte zurück nach Hause. Stand an der Haltestelle. Langsam rollte meine Linie heran. Der Busfahrer hielt und ich setzte mich in Bewegung, die mittlere Tür im Visier. Erst Aussteigen lassen, dann Einsteigen. Mit den Leuten, die den Bus verließen, auch ein Mann, meine Größe, Brille, Haare. Das war er! Mein Zwilling! Das Gesicht mit dem ebenso arroganten Ausdruck.
Ich blieb stehen. Schaute ihm nach. Schnell verschwand er im Gewühl des Markts.
Schlimm war es nicht, dass ich auf den nächsten Bus warten musste. Deprimierend war, dass er besser aussah als ich …

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Ausladend

Wenn einen Mann das Single sein allzu sehr frustriert, greift er schon mal zu drastischen Maßnahmen.
Bei uns gibt es ein Heftchen. Gratis. Es erscheint donnerstags, ist aber schon mittwochs überall zu haben. Es fängt mit kritischen Anmerkungen zur Kommunalpolitik auf der ersten Seite an und endet mit einer Glosse. Mehr redaktionelle Arbeit braucht es nicht. Es gibt das Kinoprogramm, Termine für Yogakurse etc., Konzerte und Lesungen. Und eine Menge Platz für Kleinanzeigen, die die Rubriken biete/suche Wohnung, biete/suche Job und Grüße füllen.
Vor etlichen Jahren habe ich aufmerksam die Spalte unter „Sehnsucht“ studiert. Da muss mir die Annonce einer Kontaktsuchenden aufgefallen sein. Vermutlich, weil kurz und knackig. Andere Frauen fertigen einen Steckbrief mit Psychogramm an, ich falle schon bei der Angabe „über 1,90 m“ raus. Bei jener gab es eine E-Mail Adresse, so schmierte ich mir was aus den Fingern in die Tastatur. Und fragte höflich nach einem Foto.
Antwort kam mit Foto und ebenfalls mit dem Wunsch nach einer Ablichtung meiner einer – und der Frage nach einem Date.
Das Foto von ihr zeigte mir ein lachendes Gesicht und ich konnte ahnen, dass sie keine dürre Gestalt haben würde.
Wir verabredeten uns in ein Café, welches ich noch nicht kannte, aber gut zu erreichen war. Soweit so gut.
Zur verabredeten Zeit betrat ich das Café. Es war nicht groß. Ich nahm an einem mittigen Tisch Platz mit dem Blick zur Tür. Außer mir gab es vielleicht noch zwei oder drei Gäste und den Kellner. Dann kam sie!
Wieso Frauen nie pünktlich sein können, frage ich schon lange nicht mehr. Sie nahm mir gegenüber Platz, und nicht nur ich, alle Anwesenden hielten die Luft an. Für ihre geringe Körpergröße hatte ihr Busen den größten Verdrängungsfaktor. Es war, als wären zwei Mittelstreckenraketen auf mich gerichtet. Ein tief geschnittenes Dekolleté machte es nicht besser. So viel ist nicht zu handeln.
Sie redete viel. Sie fand mich wohl sympathisch und verplante mich schon für weitere gemeinsame Aktivitäten. Ich versuchte mich ebenfalls an der Konversation zu beteiligen und Schadensbegrenzung zu betreiben, doch ich konnte nicht mal die distanzierende Geste der verschränkten Arme vor meiner Brust ausführen – es gab keinen Platz dafür!
Irgendwann schaffte ich es, uns nach draußen zu dirigieren, wo ich ihr gestehen musste, sacht und höflich, dass ich weiter kein Interesse hätte. Das fand sie schade, und meinte, dass man sich sicher noch mal über den Weg laufen würde. Garantiert nicht, dachte ich, garantiert nicht.

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Kassandra

Die Kassiererin der Personalkantine, wo von der Röntgenassistentin bis zu den Chefärzten alle essen, hat mich mit professioneller Höflichkeit vorbei an lange Reihen gigantischer Küchenanlagen gelotst, um mich in einem Nebengang zu bitten, einen Augenblick zu warten.
Ich habe ein Date. Ich nenne es kühn so. Als ich meiner Schwester erzählte, ich hätte eine persönliche Diätassistentin, meinte sie verblüfft, das hätten doch nur Stars!
Bei unserem ersten „Date“ war sie für mich direkt zum Verlieben! Eine in allen Ernährungsfragen versierte, exakt bloß 10 Jahre jüngere Frau, was ihr Wortlaut war, mit Charme, Intellekt und Einfühlungsvermögen kann ja nur die Idealpartnerin für mich sein …
Mein Blick wandert zum schwarzen Brett gegenüber. In einer Liste entdecke ich ihren Namen und – den Vornamen. Auf ihrem Namensschild an ihrem weißen Kittel, der sie nur noch charmanter für mich macht, stand der Vorname nur abgekürzt mit „K.“.
Die Kassiererin hat ihren höflichen Abgang und sie, die Fachfrau, kommt auf mich zu. Schwungvolle Begrüßung mit Handschlag. Es gibt noch eine Verzögerung. Unser Raum ist besetzt. Sie klopft, zählt innerlich nicht weiter als bis zwei und öffnet die Tür weit, um zu sagen: „Das ist Herr Aschenbrenner! Wir brauchen den Raum!“
Sechs hünenhafte Kerle drehen ihre mit Häubchen geschützten Köpfe zu ihr oder eine viertel Drehung weiter zu mir. Ohne Widerspruch räumen die Chefköche den Raum. Mein Name von ihr ausgesprochen muss eine ziemliche Macht haben! (Oder ich bilde mir einfach zu viel ein, weil mich drei Buchveröffentlichungen noch nicht zum Star machen … ;-) )
Unser Zwiegespräch verläuft für mich gut. Seit dem ersten Termin habe ich wohl viel richtig hingekriegt. Nur manchmal erwische ich mich dabei, noch eine zweite Gesprächsebene herauszuhören. Wenn es z. B. darum geht, Gewicht durch Bewegung zu reduzieren, bringt sie ihre privaten Beispiele mit ins Gespräch. Soll es mich in meinem Vorhaben motivieren oder ist da – ohne dass es ihr vielleicht selbst bewusst ist – mehr? Ein echtes Dilemma! Ich stehe an der Schwelle mich in sie zu verlieben, aber sie findet einfach nur passende Beispiele aus ihrem Privatleben, weil ich ein angenehmer Klient bin, mehr jedoch nicht.
Den Weg zurück finde ich allein. Und ich brenne auf den nächsten Termin. In drei Wochen.

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Im Abendland

In dem Haus, in welches ich täglich die Woche über gehe, befindet sich im oberen Stockwerk ein Gebetsraum. „Oh“, dachte ich, „Hier denkt man an alles.“ Gestern ging ich hoch, um mal rein zu schauen.
Ich klopfte erst respektvoll an. Und wenn die Tür verschlossen ist? Nein, ich konnte sie langsam aufdrücken.
Zuerst ein Waschbecken. Handtücher. Bereit liegende weiße Umhänge. Es gab kein Kreuz, keine Heiligenfiguren. Da war ein Teppich. Jedoch nicht gerade zur Wand ausgerichtet. Nun verstand ich. Der Teppich zeigte nach Osten zum Sonnenaufgang. Und das Buch auf der Fensterbank war der Koran.
Und mir wurde nun bewusst, warum auf dem Schild neben der Tür unter dem Wort Gebetsraum ein arabischer Schriftzug stand. Den Wald vor lauter Bäumen nicht zu sehen, begleitet mich zurzeit oft.

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Simply Red, selbst gebrannt

Beim Wühlen in meinen Beständen finde ich diese CD wieder. „Der BH bleibt an!“, fällt mir dazu ein. In ihrer Handschrift steht „Simply Red best of“ drauf.
R. An sie erinnere ich mich gut. Ein paar Mal habe ich sie besucht. Weiter draußen, in ländlicher Gegend. Wo der Mietpreis günstiger ist und man mehr Wohnraum dafür bekommt. Das war in 2004, denn ich vermerke auf allen gebrannten CDs – ob sie von mir selbst sind oder anderen – die Jahreszahl.
R. war nicht von hier. Irgendwoher aus dem süddeutschen Raum, wohin sie dann auch wieder zurückgezogen ist. Sie arbeitete für die Forschung in einem Labor. Dann taten ihr die Labormäuse Leid …
R. hatte eine Conga Trommel in ihrem Wohnzimmer. Ihre 70er Jahre Folkmusik, die bei ihr lief, hat mich einmal genervt. Vielleicht hat sie mir deshalb die CD gebrannt? Um zu zeigen, dass sie auch andere Musik mochte? Oder dass sie technisch in der Lage war, eine CD zu brennen? Bei R. war ich mir als Mann nie sicher. Sollte ich sie stehen lassen oder die Initiative ergreifen? Sie schien sich immer eine Tür offen zu halten. Und zwar auch im wörtlichen Sinn. R. litt an Klaustrophobie. Sie wurde schon nervös, wenn ich aus Gewohnheit alle Türen hinter mir zuzog. Einmal hatte sie sich im Flur zwischen Wohnungs- und Haustür ausgeschlossen. Das war für sie das Schlimmste.
Das war mir nicht egal und ich mochte sie sehr. Sie war allein, ich war allein. Aber letztlich wurde sie auf der Couch zum Stopp!-Schild.
Einmal habe ich sie noch gesehen, nach ein paar Jahren. Sie rief mich an. Sie war hier auf einer Hochzeit. Bevor sie in den Zug stieg, tranken wir noch irgendwo einen Kaffee. Die Stimmung war eher wie auf einer Beerdigung. Ach, kleine R., ich hoffe, es geht dir heute gut!
Ich ordne R.s CD zu den anderen Sachen von Simply Red. Titel 16 hat einen Aussetzer.

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Sonntagsbild 316

Sonntagsbild 316-750pxBunt

Tageszeit: früher Morgen
Sonnenaufgang: 6:36 Uhr
Wetter: Wetterleuchten & 16 °C
Stimmung: gelöst
Chrizzy, dem sich so manche Tür öffnete, während andere verschlossen blieben…

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