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Am Telefon

Etwas später als sonst ruft er an. Fragt freundlich:
„Stör‘ ich dich?“
„Nein“, meint sie und schaltet am Herd das Ceranfeld auf halbe Leistung, „Das Risotto ist erst in einer viertel Stunde schlotzig.“
„So, wie es sein muss“, entgegnet er geistfrei.
Schweigen.
Einmal fragte sie ihn, warum er überhaupt noch anruft. Und warum er nichts sage? Jetzt muss sie ihren Ex-Freund wieder ermahnen:
„Sag was!“
Würde er wieder beleidigt sein, von seiner offenen Wunde sprechen, davon, dass er anerkennt, dass es vorbei ist, aber … blah blah blah?
Er sagt: „Warte mal kurz.“
Wartet nicht ihre Antwort ab, legt das Telefon neben sich, steht kurz auf und holt seine Gitarre.
Er hat länger nicht mehr gespielt. Und weil das Holz und die Saiten leicht auf Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsunterschiede reagieren, ist sie natürlich total verstimmt. So fängt er an, die tiefe E-Saite nach Gehör und dann auf dem fünften Bund mit der leeren A-Saite gleich zu stimmen. Alle sechs Saiten runter.
Irgendwann kann er mit dem Spielen beginnen. Er erinnert sich an das Telefon neben ihm.
Bestimmt hat sie mitbekommen, dass er Gitarre spielen will. Für sie.
Er fragt:
„Hallo?“
Doch am anderen Ende der Leitung ist nichts mehr zu hören.
„Hallo? Hallo?“
Schließlich legt er auf. Stellt die Gitarre zurück in ihre Ecke.
Da war wohl der Risotto schlotzig.

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