Statussymbole

Die Geschichte der Statussymbole ist so lang, wie es die Zivilisation der Menschheit gibt.
Anfangs zogen wir als Jäger und Sammler in Sippen umher. Aber nach der letzten Eiszeit vor etwa 12.000 Jahren entdeckte man im Nahen Osten, zuerst im heutigen Israel, wie man von wildwachsenden Gräsern die Samen wieder aussäen konnte und daraus wiederum gutes, nahrhaftes Getreide züchten konnte. Dies gab so reiche Erträge, dass man auch Tiere domestizieren konnte, um sie nicht mehr zu jagen, sondern auf seinem Land zu füttern. Der Mensch wurde sesshaft und betrieb Ackerbau und Viehzucht. Und dann ging es den Menschen gut. Und wenn es einem gut geht, zeugt man Kinder. Bald gab es so viele Menschen in Überzahl, dass ein Ort nicht mehr ausreichte, um sie zu ernähren. Deshalb begannen sich die Menschen sich aufzuteilen. Die einen blieben an dem Ort, an dem sie aufwuchsen, andere zogen weiter und brachten ihr Wissen mit. Das Modell von der Landwirtschafft war in der Fremde äußerst attraktiv. Aus den noch jagenden und sammelnden Sippen wurden ebenfalls schnell Landwirte. Jedenfalls hast sich aus dem „fruchtbaren Halbmond“ des Nahen Ostens die Agrarkultur bis nach Mitteleuropa ausgebreitet. Und dann natürlich immer weiter.
Wenn es also immer genügend Nahrung gab, und immer genügend Menschen, die etwas arbeiten konnten, dann kamen einige wenige auf die Idee, andere für sich arbeiten zu lassen!
So begann der Unterschied von Arm und Reich. Und auch die Arbeitsteilung.
Da gab es z. B. jemanden, der versammelte eine Schar Männer und teilte ihnen mit, wenn sie Tonkrüge in einer ortsüblichen Form herstellten, bekämen sie einen Schlafplatz, zu essen und immer gutes Bier. (Bier war sauberer als manches natürlich vorkommende Wasser.)
Es gab die ersten Bosse und die ersten Arbeiter. Aber was sollte man mit all den Krügen anfangen? Es waren ja viel mehr, als das Dorf oder sogar inzwischen größere Siedlungen brauchten.
Der Boss hatte das längst eingeplant. Aus den Routen der vor längere Zeit weggewanderten Agrarvölker sind Handelsrouten geworden.
Eine menschliche Eigenschaft ist die Sucht nach Abwechslung, nach etwas Neuem, wenn alle Grundbedürfnisse befriedigt sind. Und das gilt, glaubt mir, bis heute.
Über den Tausch von Krügen bekam der Boss sowohl Nützliches als auch Wertiges. Gold. Artefakte. Felle. Glassteine (Quarz) aus Gebieten mit Vulkanen. Damit schmückte er sein Lehmziegelhaus, davon bekamen seine Untergebenen nix.
Er stellte mehr Arbeiter ein. Für mehr Profite. Den Rest kennt man ja.
Als ich ein Kind war, wusste ich schon, dass die Bosse Mercedes fuhren. Aber die Frage der Statussymbole macht mir mein bester Schulfreund klar. Er stellte infrage, warum man Anfang der 80er Jahre unbedingt Duschkabinen aus reinem Glas brauchte? Das war ja nicht nur teuer, sondern nach dem Duschen bleibt ja innen auch das dreckige Duschwasser zurück. Ihm entgegnete man, dafür gäbe es den Fensterabzieher, um es sauber zu machen …
Oder der „intelligente“ Toaster: stellt sich automatisch darauf ein, ob ein Toast aus der Tiefkühltruhe kommt oder schon etwas trocken ist. Er meinte, das könne er noch selbst einfach am Regler einstellen.
Die jüngsten Statussymbole sind Geräte wie Staubsauger für 1.200 €, Kaffee- und Espressomaschinen zu 1.400 €, die Roboterstaubsauger für 1200 € und mehr und -rasenmäher, wo man auch 1.500 € ausgeben darf.
Als immer älter werdendes Arbeiterkind, könnte ich verbittert schimpfen, das können sich nur Reiche leisten! Und wenn das für Mitlesende Peanuts sind, sollten sie sich in die Ecke stellen und einfach schämen …
Ich glaube, meine Freund wollte sagen, wenn man nur Kaffee machen will, reicht auch heißes Wasser und ein Papierfilter. Ich habe übrigens auch einen Staubsauger. Einen ganz normalen. Statt Kaffee trinke ich nur Tee.
Für mein Tonstudio habe ich mir gute Monitor-Lautsprecher geleistet, wo andere sagen würden, wer braucht denn sowas? Tja, Musik über Smartphones zu hören, ist nicht das, was ich für meine Musikproduktionen brauche …
Manche Statussymbole verlieren mit der Zeit ihren Schrecken und werden auch für das gemeine Volk erschwinglich („gemein“ heißt hier „allgemein“, ein alter Begriff, aus der Mode gekommen).
Die viel diskutierten, sogar mit Angst begegneten SUVs, innen die Rasse eines Sportwagens oder den Komfort einer Familienkutsche, außen massig und geländefähig, die Sitzposition und der Spritverbrauch eines LKWs, werden jetzt von jedem Automobilhersteller für immer breitere Einkommensschichten gebaut. Quasi kann man jetzt mit seinem Ford Fiesta oder Opel Corsa als SUV zum Job oder zum Einkaufen fahren.
Seitdem der erste Boss mit den durchsichtigen Kristallen vom Ätna von einem seiner Arbeiter eine Goldkette für seine Frau herstellen ließ, hat sich nichts geändert.
Die Ehefrauen von den heutigen Bossen spazieren mit Dyson-Staubsaugern durch ihre geräumigen Zimmer oder lassen es ihr Personal machen. Firmenkonsortien in weltweiten Handelsbeziehungen stellen in der Führungsetage ihre De’Longhi für Latte Crema auf.
Bei mir stehen PreSonus Boxen auf der Konsole. Dafür gespart und direkt bezahlt. Andere kaufen auf Pump oder zahlen in Raten. Da habe ich immer den Verdacht, sie wollen mehr scheinen als sie sind. Die steigende Statistik der überschuldeten Haushalte beweist es. Wer nicht weiß, wo sein Platz ist, und ich meine, wo er sich in natürlicher Weise zufrieden fühlt, kommt in den Sog der Statussymbole …!

01 C. Aschenbrenner 02.08.2023

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