Als ich vor 32 Jahren in diese Stadt kam, dachte ich, sie gehört mir. Einem Kuhkaff entkommen, werde ich es hier schaffen. Womit auch immer. Ich werde groß sein!
Dies war ebenso falsch wie auch unnötig. Für mich wurden keine roten Teppiche ausgerollt und es öffnete sich automatisch keine Tür.
Vielmehr musste ich erwachsen werden, realistisch und stets darauf achten, ein Dach über dem Kopf zu haben und zu essen und gesund zu bleiben.
Somit wurden Miete, Geld zum Einkaufen und Arztbesuche die Eckfeiler meiner Existenz. Das einmal kapiert, konnte ich auch Beziehungen eingehen und Karriere als Autor machen.
Wie oft musste ich verzichten, Nein sagen oder mich mit wenig zufriedengeben. Damit bloß das Wesentliche erhalten blieb.
Wieviel Unterstützung erhielt ich aus dem „Kuhkaff“ und sonst von weit entfernt, weil man Verständnis hatte für die Rosinen in meinem Kopf! Wie wenig konnte ich ihnen zurückgeben. Außer der Pflege der Kontakte zur Teilhabe an ihren Leben. Verstehen lernen, Verstehen geben. Das ist Freundschaft.
Vor, während und nach der Pandemie (ist sie denn vorbei, nur, weil außer mir niemand mehr eine Maske trägt) erlitt ich große Schübe der Isolation. Ich wünschte mir während eines Lockdowns jemand Vertrautes, der in persona mit mir lebte, um das nicht allein überstehen zu müssen. Ich beneidete regelrechte die Freundinnen und Freunde in der alten Heimat, die verheiratet und auch bekindert, die es gemeinsam aussitzen konnten …
Vom Arbeitsmarkt bin ich offiziell verabschiedet. Viele Jobs, die ich hatte, machte ich gern und mit überdurchschnittlichem Eifer. Aber das reichte ja nicht. Entweder fehlten entsprechende Ausbildungen, also Titel, weswegen ich immer die Hilfskraft war. Oder Befristungen endeten und damit wieder mein Sozialraum Arbeit. Nett war dann, wenn ich von ehemaligen Festangestellten hörte, dass all meine Nachfolger in solchen Stellen komplett in der Pfeife zu rauchen gewesen waren …
Ich gönnte mir einige Semester an der Uni im „Studium im Alter“. Ur- Frühgeschichte des Menschen war mein Steckenpferd. Wie die Kelten in Europa all den Wald abholzten, um mit Holzkohle aus Eisenerz in den Hüttenöfen Stahl zu gewinnen für Schwerter und alles andere aus Metall. Metall. Der Werkstoff, mit dem ich umzugehen lernte, als ich jung, naiv, blauäugig und mit größter Klappe die Lehre zum Schlosser antrat. Noch bei den Eltern wohnend. In einem Kuhkaff.
Ein Kreis schließt sich. Und die Geschichte ist zu Ende? Nein. Jeder Tag schlägt ein neues Kapitel auf. Jede Woche bringt neue Anforderungen. Jeder Monat muss vorbereitet sein. Und die Jahre, die man hat, wollen gelebt werden. Überall gibt es neue Geschichten. Sie wollen erzählt werden und kommen ihren Weg hinaus. Von einem selbst weg. Finden sie Gehör, bekommen sie vielleicht Zustimmung. Andernfalls werden sie schlicht ignoriert.
Es gibt so viel mehr als die eine Singularität, die einen vermeintlich verschlingt.
Ein längeres Stück Leben
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