Skandinavien

Vorhin blätterte ich in meinen CDs. Meint Ihr, ich könne bei dieser Hitze schlafen? Nachts gehen die Temperaturen wenigstens soweit zurück, dass ich des Denkens wieder fähig bin.
Ich fand eine Live-CD von „Kaizers Orchestra“. Eine norwegische Rockband mit Sinti- und Romaelementen. Marschmusik gibt es auch darin. Die Texte werden in norwegisch gesungen.
Ich würde mir das nicht kaufen. Es war ein Geschenk meiner letzten Freundin. Die stand auf so was.
Es war ein Sommerabend. Heiß wie heute. Sie war geschieden. Ihr beiden Kinder beim Vater. Ich drei Stunden Zug gefahren, um das Wochenende mit ihr zu verbringen. Wir machten Liebe und zum Einschlafen hatten wir eine Kompaktanlage in ihrem Schlafzimmer. Musik half mir einzuschlafen.
Übrigens, noch viel länger her. In der Autorenrunde bei einem Sem;kolon-Treffen fragte mal jemand, was jeder von uns für Sex sagen würde. Einige sagte einfach: „Sex.“ Ich sagte: „Lass uns …“, stieß zwei Grunzlaute aus und fuhr fort, „… machen.“ Eine Frau meinte: „Liebe machen.“ Da meinte ein Moralapostel, das ginge doch gar nicht, Liebe wäre doch kein Vorgang. Darauf fuhr man ihn an: „Bei deinem ‚Uminnern‘ wird mir schlecht!“
Am Ende waren alle zufrieden mit dem Wort „poppen“.
Was das Poppen bei meiner letzten Freundin anging, hatte sie zwar zwei Kinder gebärt, aber ein Gefühl für ihre eigene Vagina und wie man Sex sonst noch machen konnte, außer dass sie auf dem Rücken lag, habe ich ihr beigebracht.
Ich schlief sicher schon eine Stunde an jenem Abend. Ob sie jemals schlief, wenn sie neben mir lag, ist nicht bewiesen. Vermutlich hat sie an so einem Wochenende ein, zwei Nächte wach gelegen, meine Anwesenheit genossen – ich ihre übrigens auch – und ist durch mein Schnarchen am Schlaf gehindert worden.
Irgendwie lag ich dann in einem Dämmerzustand und bekam die laufende Musik von „Kaizers Orchestra“ mit. Ich richtete mich auf, hörte weiter zu und sagte: „Das hört sich aber gut an!“
Sie war wach und meinte: „Dafür liebe ich dich!“ Ließ spontan die CD aus dem Gerät werfen, steckte sie in die Hülle und schenkte sie mir.
Heute Abend habe ich sie wieder gefunden. Aber ich spiele sie nicht ab.
Sie und ich haben auch einen Urlaub in Kopenhagen gemacht. Das Highlight für sie war der Liveauftritt von „Kaizers Orchestra“ im Tivoli! Sie wollte, dass ich mitkäme. Sie würde auch den Tivoli-Eintritt bezahlen.
Ich kam nicht mit. Ich wollte nicht. Ich war vollkommen zugedröhnt mit Eindrücken einer fremden Stadt in einem fremden Land. Es war durchaus schön, aber mehr ging einfach nicht. Schon gar nicht auf ein lautes Konzert. Ich war stur.
Wir beide haben uns quasi mitten auf der Straße dramatisch gestritten. Das wird sie mir wohl nie verziehen haben. Ebenso wie sie es nie verstanden hat.
Tatsächlich hat ihr der Auftritt von „Kaizers Orchestra“ viel Spaß gemacht. So dass unsere Beziehung noch eine Weile weiter lief.

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